05.03.2013

Worteunterordnungsversuch

Stell dir vor, es ist Realität und keiner geht hin...

Ich sitze jetzt vor dem Computer, in der festen Absicht, endlich eine richtigen fließenden Text zu schreiben mit ganzen Sätzen und Satzzeichen an der richtigen Stelle und Grammatik, die nicht aufgrund der künstlerischen Freiheit irgendwie verbogen ist. Ja, Freiheit ist schön. Meinungsfreiheit auch. Nur die Meinung, die fehlt oft.
Es ist die Angst vor dem Konkreten, die uns um Nacken sitzt und nie wirklich etwas sagen lässt. Schon den vorherigen Satz kann man als Beispiel nehmen. "Wir"? Ich meine mich. Ich habe Angst vor dem Konkreten. Aber ich übertrage es auf die gesamte Menschheit, damit es aussieht, als würde es alle betreffen und als würde ich nicht einfach Tagebuchkram aufschreiben, obwohl es eigentlich doch so ist. "Etwas sagen" - es ist meinerseits schon Gewohnheit geworden, alles so zu formulieren, dass es sich auf tausend Weisen interpretieren lässt, ohne dass ich mir die Mühe gemacht habe, all diese Bedeutungen zu Ende zu denken. Freut Blogleser, freut Deutschlehrer nicht. Ich erkläre mir, dass es so schöner ist. Es geht ja um Poesie und Ästhetik und Wortspiele. Aber irgendwann ist das nur Leere Hülle. Wenn ich meine Gedankengänge verheimliche und nur Bilder aufschreibe, kann sich niemand etwas darunter vorstellen. Oder weiß jemand von euch, worum es im letzten Post ging? Das ist insofern praktisch, weil man sich immer auf der sicheren Seite bewegt. Wenn ich "Farben" schreibe, kann damit beinahe alles gemeint sein, und ich habe etwas gesagt, ohne eine Aussage gemacht zu haben. Diese ganze abstrakte Poesie ist so. Solange ich etwas nicht sage, kann mich auch keiner angreifen. Verstehen aber auch nicht. Manche Menschen schreiben, um der Welt etwas zu sagen, etwas zu kritisieren, zu verbessern oder zu verspotten. Ich schreibe, um nichts sagen zu müssen.
Gerne wäre ich wie diese Menschen. Wie gerne würde ich ein Problem aufgreifen und meine Gedanken dazu ordnen und darüber schreiben wie ein echter Journalist, der sich mit einem Thema auskennt und seine Meinung kundtut, sei es ein Fachbereich oder ein politisches Thema. Ich habe so oft von Menschen gehört, sie könnten nicht schreiben, und bei ihnen dann genau das gelesen, was mir bei mir am Meisten fehlt - das einfach Drauflosreden, etwas auf dem Herzen haben und es dann nicht dem besten Freund berichten (der einen ja nicht verurteilt), sondern einem breiten Publikum, der Schule oder dem Internet in geschriebener Form darlegen. Schön ist ein Artikel doch nicht dann, wenn er schön geschrieben ist - das lässt sich trainieren, das ist Nebensache, Fassade, Kosmetik - sondern wenn die Aussage aufrichtig und ehrlich ist. Wenn man etwas Wichtiges zu sagen hat. Und mal ehrlich, wen bitte interessiert es, ob die Blätter an einem Abend golden Schimmern oder der Schnee schmilzt oder ich mich gut oder schlecht gelaunt fühle und dabei sind das eigentlich die einzigen Themen hier. Mir geht so viel Anderes im Kopf herum. Die Tatsache, dass der künstlich von der russischen KGB-Regierung entfachte Antiamerikanismus auf den Köpfen unschuldiger Waisenkinder ausgetragen wird, die nicht mehr von Familien in den USA adoptiert werden dürfen und jetzt (nachdem das beschlossen wurde) von den Regierenden bezahlte Demos veranstaltet werden, in denen es darum geht, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden und dass sie ja die Zukunft seien (und wie toll Putin ist). Die Frage, was der Determinismus mit einer Agnostikermentalität zu tun hat oder auch der ein oder andere Vorfall von Diskriminierung oder einfach die Frage, warum die Bustickets so teuer sind. Über all das würde ich gerne schreiben. Aber es hat den entscheidenden Nachteil, dass es zur Realität gehört, zu Themen, bei denen andere auch mitreden können und ich habe Angst... wiedereinmal Angst vor dem Konkreten. Ich denke mir, das wurde doch schon zehnmal gesagt und hundertmal besser als ich das je könnte. Außerdem könnte es jemand anstreiten. Es könnte nicht gut genug recherchiert sein oder voller Halbwissen oder einfach nur unsachlich formuliert und was weiß ich noch alles. Etwas, das bei impressionistischem Assoziationsgelaber gar keine Rolle spielt.
Aber wenn es wirklich nur das ist, also die Angst (oder auch das freiwillige verbleiben in der Sicherheitszone), dann sollte sie doch nicht allzu schwer zu überwinden sein. Man muss es wirklich nur wollen. Und wieder so ein Merksatz:

Wenn dir eine Aufgabe noch nie gestellt wurde, dann frage dich nicht, wieso du die Lösung nicht schon parat hast.

Weshalb es unsinnig ist, zu verzweifeln, wenn man sieht, wie gut alle um einen herum dieses "sinnvolle" Schreiben beherrschen oder eben das, was man gerade erreichen will. Vielleicht haben sie ja nie daran gezweifelt, dass sie es können, so wie man selbst nie an anderen Sachen gezweifelt hat, die man glaubt "sowieso" zu können. Vielleicht hatten sie einen großen Lehrer oder eine Inspiration - was nicht heißt, dass man die Misserfolge auf die Umstände schieben soll, sondern es bei scheinbar schlechten Voraussetzungen trotzdem versuchen darf, denn das kann einem niemand verbieten außer den eigenen Grenzen, die man sich setzt, weil man glaubt, den makellosen Ruf zu wahren würde schwerer wiegen als der Versuch, dazuzulernen.
Wie finde ich dazu jetzt einen Schluss? Ich bin bisher nicht in die Poesie abgedriftet, also... halt. Das ist noch etwas, das ich lernen muss, und zwar, dass das nichts Schlimmes ist, wenn das doch mal passiert, genauso, wie es für jeden absolut in Ordnung ist, wenn er ausnahmsweise mal das gebraucht, was ihm liegt und worin er Dinge schaffen kann - aus der absoluten Sicherheit austreten heißt nicht automatisch, das, worin man sich sicher ist, wegzuwerfen.
Ich versuche jetzt, nicht die Aussage den vorhandenen Worten, sondern die Worte der Aussage unterzuordnen und man sieht schon, dass mir das scheinbar viel schwerer fällt. Aber gut. Nächstes Mal erzähle ich euch vom Dialog mit einem Lehrer oder der Politik in Russland oder auch von Vektorbosonen, wenn ihr das wollt. Inspirationen gibt es jedenfalls genug, für jede Veränderung.

(Bild aus der letzten Serie, das irgendwie nicht reingepasst hat)

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