11.05.2013

Was ich gerne wäre

Es wird zeit, mein Schattendasein aufzugeben und tertiären Formen der Existenz den Vortritt zu lassen. Nur mehr das Abbild eines Abbilds zu sein, in der Hoffnung, dass auf die dritte Spiegelung niemand mehr Acht gibt, weil allen klar ist, dass sich alles sowieso nur wiederholt. Ein schwacher Lichtreflex auf weißen Fliesen in einem Zimmer voller Attraktionen, die den Blick von der Wand lenken. Ein Transmitter in einem Medium, das seine Funktion schon vor Jahrzehnten verloren hat und nur noch manchmal verirrte Signale sendet, so wie ein lange stillgelegter Gleis Regentropfen weiterkriechen lässt. Ich will im schwarzen Nebel der Zeit versickern, sodass sich ein Vorübergehender fragen muss, ob er sich die Bewegung am Rande seines Blickfelds nicht nur eingebildet hat, und aus dieser Frage will ich niemals hinaustreten, nie über ihren Rand sehen müssen, auf dünnem Fragenseil balancieren, wenn es sein muss. Ich will so lange reproduziert und an Kanten gebrochen und gespiegelt werden, dass ich nicht mehr genug Dimensionen besitze, um mich selbst zu sehen, sodass das letzte Licht auf dem Weg in einen weiteren Spiegel komplett verloren ginge und ich somit nur auf dieser letzten Ebene bleiben kann, zerstörerisch aber nicht sehend, zur Rezeption unfähig - oder aber genau das Gegenteil, nur beobachtend, nicht eingreifend, wie ein kleiner Geist, ein Zeitreisender oder der Leser eines Buches, der das Leben miterlebt, aber nicht handeln kann und somit auch keine Verantwortung für Gehandeltes trägt und trotzdem Freude und Angst und Trauer spürt. Entweder das eine oder das andere, aber nicht handelnd und urteilend zugleich, nicht so, bitte nur nicht so.
Ich renne im strömenden Regen durch graue Straßen bis zur rettenden Tür, sehe Leuchtreklame hinter Fensterscheiben auf Pfützen niederfallen, schaue mich einmal besorgt um und dem Mann hinter der Bar direkt in die Augen.
Ein Bewusstsein zum Mitnehmen, bitte - aber ohne Selbstreflexion.


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