01.01.2013

Neujahrsidealismus

Seit zwei Stunden kreisen wir jetzt um die Sonne. Ich sitze da, trinke schwarzen Tee (ein Mitbringsel aus London) und beobachte dieses unbeholfene, noch junge neue Jahr dabei, wie es seine ersten Schritte macht. Mit dem Ziel, alles Vorherige zu vergessen, wieder ein weißes, leeres Blatt vor mir zu haben und ganz und gar neu zu sein. In Worten und in Taten und in Gedanken.
Was ich mir wünsche? Frühling. Ich will, dass hinter dem Horizont endlich die rote Sonnenscheibe aufgeht und uns zeigt, wofür wir so lange gekämpft haben. Ich will am dunkelsten und hässlichsten Tag des ganzen Jahres auf die Straße gehen und den Frühling in den Herzen der Menschen sehen. Nicht in ihrer Kleidung oder in ihren Frisuren. Sondern in den Herzen. Frühling, oder besser gesagt, die Ahnung von Frühling - vom Bessermachen und Ändernkönnen, vom Etwas-ausrichten-können. Vom hier-und-jetzt-eine Rolle spielen. Von Romantik. Von Ideen, und davon, für sie zu brennen. Ich wünsche mir, dass wir weniger angewiesen sind auf das Wetter, auf das Fernsehprogramm und die Laune des Fahrkartenkontrolleurs. Und auf Fortuna. Dass ich dieses Mal vielleicht ein klein wenig ändern kann - selber so mächtig sein wie die Götter über mir. Und es nicht bereuen. Einmal etwas nicht bereuen. Ich wünsche mir, dass diese Unruhe, der Motor der Schöpferseele, die ewigen Schatten und Störenfriede niemals Ruhe geben; nicht in diesem und auch in keinem anderen Jahr und Leben. Dass diese Prosa nicht leer wird. Dass meine Worte nicht leer werden und die der anderen Menschen auch nicht, denn wir sind Kunst und wir können sprechen wie Kunst. Und überhaupt mehr Jetzt. Mehr Aufbruch, mehr Kampfgeist und Revolution - das Übliche. Mehr Freude. Dass nicht alles so unheimlich wichtig genommen wird. Dass wir Kinder bleiben. Dass wir, selbst wenn die Zeit immer schneller und schneller dahinrennt, noch fähig sind, uns einen Moment herauszugreifen und ihn in den schönsten Farben anzumalen, und ihn genauso leichtfertig wieder loslassen können, ohne ihm nachzutrauern. Ich will mehr Regen. Ich will mindestens eine Sache besser machen als im letzten Jahr. Ich will einmal das Gefühl haben, dass wir nicht nur Untertanen sind, sondern eine eigene Stimme haben und einen Platz und eigene Ausschläge im großen Erdenkardiogramm. Dass überhaupt niemand ein Untertan ist. Ich will, dass Macht sinnvoll wird, und Träume weniger Sinn geben. Mal jetzt in größerem Rahmen. Ich will? Ich werde. Werde authentischer sein, einmal versuchen, nicht vor allem und jedem Angst zu haben. Die Zeit ist zu schnell für Angst. Wir verpassen so viel, lasst uns nicht auch noch ängstlich sein und ständig Fassaden renovieren wollen, sie sind rissig sowieso viel schöner! Einmal außen so wie innen sein. Das wärs. Und das wars auch, von mir für heute für euch. Ich wünsche jedem eine schöne neue Runde um unseren gemeinsamen Stern.

Dresdner Schattenbilder

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