02.03.2012

Momentaufnahme #2

Ich denke an den letzten Sommer.

3.August 2011
Die Luft riecht komisch. Irgendwie zerkocht und süß. Seifensüß. Ein kleines Bisschen nach Regen. Die Straßenbeleuchtung spiegelt sich orange auf den Tropfen der Windschutzscheiben der Autos unten. Der Rest liegt still im Schatten. Wenn ein Auto vorbeifährt, werden im Scheinwerferlicht alle Unebenheiten des Asphalts sichtbar. Die Autos schlafen oder tun zumindest so. Hier und da leuchtet ein Fenster gefleckt durchs Laub, und wenn man ein Auge zumacht, sieht es aus wie ein Stück Sternenhimmel. Im echten Himmel sieht man keine Sterne, er ist schwach dunkeltürkis fast grau und wenn man ihn lange genug ansieht, meint man Wolken zu sehen, aber es kommt einem vor wie der an-die-Wand-starr-Effekt.
Gerade sind Menschen vorbeigelaufen, Frauen. Ihre Stimmen werden von der Geräuschlosigkeit ihrer Umgebung reflektiert und wandern eine Weile durch die Straßen, sehen sich vielleicht die Häuser an und die Autos, ehe sie, elendlich am Luftwiderstand scheiternd, zu Boden fallen und vom noch feuchten Asphalt gierig aufgesogen werden...
Im Hintergrund, jenseits des Fensterblickfeldes, das mir zur Verfügung steht, rauscht es. Ein RTL-Jingle irgendwo aus den Tiefen der Häuser. Das Rauschen ist fast wie Meeresrauschen, ab und zu löst sich ein Motorrad heraus und brummt höher als der Rest, so als wolle es seine Individualität beweisen.
Jede Baumkrone vor dem Fenster kommt mir vor wie ein ganzer Wald... nur die Spitzen der Blätter räkeln sich im Scheinwerferlicht. Der Rest liegt schwarz und unergründlich vor mir wie die Tiefen eines Dschungels...
Da ist noch ein anderes Rauschen. Leiser und magischer. Wie Blätter, die sich im Wind wiegen und dabei letzte Regentropfen loslassen, fast wie ein kleiner Wasserfall oder ein Wasserkraftwerk ganz weit weg...
Jemand läuft unter dem Fenster vorbei. Das rhythmische Aneinandervorbeiwischen gefolgt von Schritten auf dem Pflasterstein, immer abwechselnd. Das Haus gegenüber hat die Augen zu und schläft.
Jetzt riecht die Luft ein bisschen nach verkohltem Holz oder ausgegangenen Wunderkerzen. Einschläferndes taubes Motorrauschen. Schatten der Bäume liegen auf der Straße herum wie schwarze Katzen, jederzeit bereit für einen Todessprung bis hoch in den undefinierbar schwarzen blauen Himmel. Die Türklingeln des Hauses gegenüber leuchten kommentarlos, als hätten sie zu Alldem nichts hinzuzufügen und sind doch Teil davon. Jemand hustet und einige Millisekunden lang fühle ich mich wie in einem Film.

Es ist null Uhr dreizehn.
Ich sitze auf dem Fensterbrett und sehe mir die Nacht an.


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